Übertitelung
von Yvonne Griesel
Die Übertitelung als Mittel zur Übertragung fremdsprachiger Inszenierungen trat zuerst in den 80er Jahren in Kanada und Skandinavien auf. Zu Beginn wurde sie vor allem bei internationalen Theaterfestivals und Gastspielen eingesetzt, seit Anfang 2000er Jahre kommt sie aber auch häufiger in städtischen und freien Theater- und Produktionshäusern zum Einsatz. Sie dient neben der internationalen Verwertbarkeit der Produktionen bzw. der Zugänglichkeit für ein internationales Publikum auch der Diversifizierung der Häuser und ermöglicht beispielweise eine Teilhabe für schwerhörige Zuschauer:innen.
Übertitel müssen immer die Balance zwischen Pragmatik und literarischer Übersetzung finden, denn es handelt sich um eine literarische Übersetzung, die - im Gegensatz zur Dramenübersetzung - zum schnellen Rezipieren angefertigt wird. Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen, aber es handelt sich immer um einen zweiphasigen Prozess. Zunächst werden die Übertitel anhand einer Aufzeichnung der Inszenierung eingeteilt, es wird eine sogenannte Übertitelmatrix erstellt, die sich rhythmisch genau an die Inszenierung anpasst und es dem Publikum ermöglicht, sowohl die Übersetzung zu lesen als auch das Bühnengeschehen zu verfolgen. Diese Matrix wird dann in die gewünschte Sprache übersetzt und im zweiten Schritt mit einer entsprechenden Software während der Aufführung projiziert. In der ersten Phase kommt es auf rhythmische Genauigkeit und präzise Übersetzungen an, in der zweiten Phase spielen Flexibilität, Reaktionsvermögen und Erfahrung eine wichtige Rolle, um auf Improvisationen und das Bühnengeschehen zu reagieren, da für eine gelungene Übertitelung die Synchronität von Bühnengeschehen und Übersetzung entscheidend ist.
Spezifisch für diese Form der Übersetzung ist, dass sie immer einen additiven Charakter hat, also der Inszenierung hinzugefügt wird. Sie kann per Beamer, LED (in Form von meist modularen Panels), Tablet, Met Titles (kleinen Bildschirmen, die am Vordersitz angebracht sind) oder AR Brillen, an unterschiedlichen Orten im Bühnen- und Zuschauer:innenraum gezeigt werden, oberhalb des Portals, mitten im Bühnenbild etc. Wichtig ist hier die Unterscheidung von open oder close captions. In der offenen Form ist die Übersetzung als Übertitel auf dem Bühnenportal oder im Bühnenbild sichtbar und das gesamte Publikum kann sie rezipieren. Bei der geschlossenen Form werden die Übertitel auf Tablets, Smartphones oder in AR-Brillen übertragen, die nur der Teil des Publikums nutzt, den die Übersetzung betrifft. Beides hat Vor- und Nachteile. Eine offene Übertitelung kann beispielsweise die Lichtverhältnisse auf der Bühne beeinträchtigen, die Schauspieler:innen ablenken etc., kann aber im Gegenzug auch von dem Teil des Publikums unbemerkt genutzt werden, der nicht offenlegen möchte, dass es vielleicht altersbedingt schlechter hört. Geschlossene Übertitel sind zugeschnitten auf ein bestimmtes Publikum und in AR-Brillen, Tablets und Met Titles können individuell Sprachen ausgewählt werden, es kann aber auch hier durch Streulicht zu Ablenkung innerhalb des Zuschauer:innenraums kommen. Das permanente Wechseln zwischen Nah- und Fernsicht kann für Brillenträger:innen sehr anstrengend bis nicht zu bewältigen sein. AR-Brillen haben diesen Nachteil nicht, fügen aber dem live Charakter der Vorstellung ein virtuelles Element in Form von Text oder aufgenommenen Gebärdendolmetscher:innen hinzu, das u.U. störend wirkt. Die Kosten und die Ausleihe von AR-Brillen und Tablets sind teilweise sehr hoch. Die Nutzung von Smartphones im Theaterraum muss sehr gut geplant sein, damit es nicht zu Störgeräuschen etc. kommt.
Das Bühnengeschehen ist für das Publikum immer das Wichtigste. Daher fügt sich eine gelungene Übertitelung immer ein, reduziert so viel wie möglich und nutzt alle übersprachlichen Informationen, die von den Schauspieler:innen in Form von Gestik und Mimik gegeben werden, um sie in den Übertiteln nicht übersetzen zu müssen. Übertitel und Inszenierung sollten immer eine ästhetische Gesamtheit bilden, in der sie sich ergänzen, inspirieren und zusammenschmelzen. Ariane Mnouchkine sagt dazu ganz richtig „Eins will ich wirklich nicht, dass das Publikum den Blick von meiner Inszenierung abwendet, um irgendwo über das Bühnenbild zu schauen! Ein schöner Schriftzug oder ein Satz in meiner Inszenierung stören mich im Gegensatz dazu überhaupt nicht!“ (Ariane Mnouchkine in „Welttheater Verstehen“, 2014: 30)
Übersetzung und Kürzung
Die Übersetzung für Übertitel ist eine besondere Form der Dramenübersetzung. Eine Übersetzung für Übertitel kann nie antiillusionistisch im Sinne von Jiří Levý(in: Die literarische Übersetzung, 1969, Frankfurt am Main) sein, kann nie die Illusion erzeugen, dass eine Inszenierung in der eigenen Sprache rezipiert wird. Es ist keine Dramenübersetzung, die von Schauspieler:innen auf der Bühne gesprochen wird, sondern eine Übersetzung, die als Hilfestellung dient. Sie wird dann eingesetzt, wenn die Schauspieler:innen eine andere Sprache sprechen als ein Teil des Publikums. Ziel ist immer eine schnelle Rezeption, die durch eine klare Sprache in den Übertiteln möglich gemacht werden soll. Der Stil des Ausgangstextes soll hier dennoch beibehalten werden. Zudem werden so viel sprachliche Informationen wie möglich aus dem Bühnengeschehen übernommen, z.B. Ausrufe, Wiederholungen, Namen und Musik.
Für die Übertitelung zählt immer nur der auf der Bühne gesprochene oder projizierte Text. Dieser Text wird verkürzend übersetzt, so dass das Publikum die Übersetzung bequem rezipieren kann und genügend Zeit hat, das Bühnengeschehen zu verfolgen. Zu diesem Zweck wird zunächst eine sogenannte Übertitelungsmatrix erstellt. Anhand des Regiebuchs wird so der gesprochene Text während der Endproben oder anhand einer Videoaufzeichnungen in Übertitelabschnitte unterteilt und ggf. gekürzt. Der Grad der Kürzung hängt immer von der Sprechgeschwindigkeit der Schauspieler:innen ab. Gibt es in einer Inszenierung wenig gesprochenen Text, ein langsames Sprechtempo, viele Monologe oder lyrische Passagen, kann es sein, dass ein Text fast nicht gekürzt werden muss. Es hängt von der jeweiligen Inszenierung ab, um wieviel Prozent ein Text gekürzt wird. Die Herausforderung und der Grad der Kürzung steigen mit dem Sprechtempo, der Dialoglastigkeit, Vielstimmigkeit, Improvisationen etc.. Starke Kürzungen erfordern eine große Expertise, da der dramatische Text u.U. ohne Beeinträchtigung des Stils bis zu 50% gekürzt werden muss. Gerade bei Inszenierungen mit extremem Sprechtempo und/oder vielen Improvisationen kann es sinnvoll sein eine andere Form des Transfers zu wählen.
Generell ist es jedoch gut möglich, Texte für die Übertitelung zu kürzen. So werden z.B. oft Wiederholungen, die auf der Bühne zu hören sind, nicht übertitelt. Ebenso werden Namen nicht in die Übertitel übernommen, sofern sie gut zu verstehen sind und das Publikum nachvollziehen kann, wer gemeint ist. Ortsbezeichnungen, Ausrufe etc. können leicht gekürzt werden, wenn sie auch in der Fremdsprache zu verstehen sind. Komplizierte Satzkonstruktionen sollten aufgelöst und eher in in sich geschlossene Sätze oder mehrere Hauptsätze übersetzt werden. Jeder projizierte Übertitelabschnitt sollte im besten Falle inhaltlich geschlossen und verständlich sein. Ebenso können Adjektive, Redundanzen etc. zugunsten der schnellen Lesbarkeit verknappt oder gestrichen werden. Es gibt hier eine große Bandbreite an Möglichkeiten, die mit zunehmender Erfahrung versiert eingesetzt werden können.
Die große Schwierigkeit besteht darin, den stilistischen Gehalt zu bewahren und den Ton der Autor:innen in der Übersetzung möglichst genau zu treffen, auch wenn eventuell starke Kürzungen notwendig sind. Das ist eine Kunst, die neben übersetzerischen Fähigkeiten sehr viel Theatererfahrung erfordert.
Übertitel sind besonders schwierig im Zusammenhang mit bewusst gesetzten Improvisationen, da sie den spontanen Charakter, der durch Improvisationen erzeugt werden soll, unterlaufen und denunziatorisch wirken können. Sie verraten dem Publikum unfreiwillig, jedoch sehr klar, welche Szenen vorbereitet sind. Der Einsatz von Übertiteln muss hier sehr genau abgewogen werden, denn er stellt einen starken Eingriff in die künstlerische Entscheidung dar.
Ein weiterer Sonderfall ist der Umgang mit Texten des literarischen Kanons. Diese müssen häufig zurück in die Originalsprache übersetzt werden und sind gleichzeitig - fernab der Theaterbühne - einem breiten Publikum bekannt. Wird also zum Beispiel „Hamlet“ von Shakespeare auf Deutsch gespielt und ins Englische „zurück“ übertitelt, muss darauf geachtet werden welche, Passagen als „heilige Originale“ keinesfalls gekürzt werden dürfen, da das Publikum den Text evtl. im kulturellen Gedächtnis (im Sinne von Jan Assmann) gespeichert hat und irritiert wäre.
Technik
Eine gelungene Übertitelung hängt stark von der technischen Ausstattung ab. Die ersten Übertitel wurden auf Diafilmen aufgenommen und mit dem Diaprojektor projiziert. Seitdem hat sich viel entwickelt. Bei der Planung spielen sowohl Software als auch Hardware eine wichtige Rolle.
Für die Projektion von Übertiteln kann generell zwischen unterschiedlichen Endgeräten gewählt werden. Neben der Projektion im Bühnenraum, gibt es mittlerweile viele technische Lösungen. Augmented Reality - Brillen sind die neueste Entwicklung, aber auch Tablets und Smartphones, auf denen das Publikum individuell die Übertitel als Closed Captions lesen kann erweitern das Spektrum der Möglichkeiten. Beim Einsatz individueller Endgeräte wird nicht auf das Bühnenbild eingewirkt und Zuschauer:innen ohne Transferbedarf werden nicht abgelenkt. Das kann bspw. bei einer Übersetzung in leichte Sprache wichtig sein, da das Publikum häufig reflexartig auf Übertitelung reagiert und sich dann über die projizierten Satzkonstruktionen Gedanken macht, statt das Bühnengeschehen zu verfolgen.
Jedoch ist dieser technischen Umsetzung zu beachten, dass Streulicht im Zuschauer:innenraum, Ablenkung durch Sitznachbarn oder ständig wechselnden Nah- und Fernsicht zu Sehschwierigkeiten – letzteres vor allem für Brillenträger:innen – führen kann.
Open captions haben den Vorteil, dass sie vom gesamten Publikum rezipiert werden können, und das auch, wenn keine Sprachbarriere besteht oder die Sprachbarriere größer ist als vor der Vorstellung angenommen. Andererseits können Übertitel vom Bühnengeschehen ablenken, Streulicht produzieren oder sehr prominent in dunklen Bühnenbildern in das visuelle Konzept einer Inszenierung eingreifen. Auch hier bedarf es bei der Entscheidung wieder eines genauen Abwegungsprozess. Generell besteht die Möglichkeit Übertitel mittels leistungsstarker Beamer zu projizieren, die unbedingt mit einem automatischen Verschluss (Shutter) versehen sein sollten. Dadurch können im Notfall die Übertitel ausgeblendet werden und das Bühnengeschehen wird nicht beeinträchtigt.
Beamer sind kreativ einsetzbar, praktisch ist hier die flexible Auswahl der Projektionsfläche und –inhalte. Es ist möglich Bilder zu integrieren, relativ frei die Projektionsfläche wählen, sei es über dem Portal, auf der Bühnenrückwand, auf transparenten Scheiben oder auch direkt über die Schauspieler:innen auf Bühnenelementen, um dem Publikum die Rezeption zu erleichtern.
Für kreativere Lösungen muss eine enge Zusammenarbeit mit der Videotechnik gewährleistet sein. Teilweise gibt es auch Regisseur:innen, die mit speziellen Programmen arbeiten, selbst programmieren und Übertitelungen dann künstlerisch einbauen. Wichtig ist hier die enge Zusammenarbeit und Absprache mit den Bühnenbildner:innen und der hauseigenen Videotechnik, da durch das Streulicht des Beamers und der Projektionsfläche konkret in das ästhetische Konzept eingegriffen wird. Wie zum Bespiel bei Bühnennebel, der zu unfreiwilligen Lichtkegeln und Unlesbarkeit führt. Ganze Lichtkonzepte können stark beeinträchtigt werden (Voxi Bärenklau; ITI Jahrbuch 2019).
Bei der Nutzung von LED Tafeln, können die oben beschriebenen Probleme umgangen werden, da LEDs als autonome Lichtquellen funktionieren, besonders aber ältere Modelle haben eine starke Punktschrift, die sich häufig auf Ästhetik und Lesbarkeit negativ auswirkt. Aber es gibt auch neuere Modelle, die sehr schöne Schriftzüge produzieren können. Trotz der hohen Anschaffungskosten ist ihre feste Installation im Bühnenraum von Vorteil. Sie beinhaltet eine bessere Planbarkeit eine gute Sichtbarkeit kann gewährleistet werden. Es können z.B. feste Plätze für optimale Sichtbarkeit von Übertiteln verkauft werden für internationales Publikum. Eine weitere Möglichkeit der Translation auf der Bühne sind Laufschriften. Problematisch ist hier die voreingestellte Geschwindigkeit, welche sich nicht an die unterschiedlichen Lesetempi des Publikums ausrichtet. Die Möglichkeit des schnellen Querlesens wird verschenkt, die dem Publikum die Freiheit lässt, zu entscheiden, ob es den Text ganz lesen möchte, oder sich lieber auf das Bühnengeschehen konzentrieren will. Bei kanonischen Texten genügt so zum Beispiel häufig der Hinweis über die ungefähre Textstelle im Drama. Übertitel werden auch häufig als eine Art „Vokabelheft“ genutzt, auf das zurückgegriffen werden kann, wenn die Bühnensprache ein wenig beherrscht, aber etwas sprachliche Unterstützung benötigt.
Künstliche Intelligenz
Im Bereich der Übersetzung hat es große Fortschritte im Zusammenhang mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz gegeben, die auch die Ausbildung von Übersetzer:innen stark beeinflusst. Mit Translation Tools arbeiten Übersetzer:innen seit vielen Jahren. Die Software erkennt Wiederholungen im Text, bietet dann die bereits übersetzten Texte erneut an, Terminologie wird automatisch gespeichert und es ist möglich eine eigene Datenbank mit spezifischen Begriffen zu führen u.v.m. Zudem wird der Text so aufbereitet, dass zeitsparend übersetzt werden kann. Je formalisierter Texte sind, wie bspw. in der Wirtschaft, desto hilfreicher sind die Tools. Im literarischen Bereich haben Wiederholungen häufig eine künstlerische Bedeutung, Terminologie kann nicht einfach festgelegt werden, daher sind Translation tools bei künstlerischen Texten weniger hilfreich.
In den letzten Jahren hat die automatisierte Übersetzung deutlich an Qualität gewonnen. Einige automatisierte Übersetzungstools liefern bereits sehr gute Übersetzung im Bereich der Bürokommunikation. Viele Übersetzungstools suchen das Internet nach bereits übersetzten Sätzen ab und stellen diese dann zur Verfügung. Das bedeutet, je mehr Übersetzungen in Übersetzungstools eingespeist werden, desto größer ist der Fundus, der von Übersetzer:innen gratis im Netz zur Verfügung gestellt wird und den die Software sich aneignet. Für einfache Geschäftskommunikation funktioniert das, aber da automatisierte Übersetzungstools Teste nicht kontextuell einordnen können, bei Mehrdeutigkeiten nicht in der Lage sind, stilistisch zu gewichten und einfach sehr viele unterschiedliche Sprachstile in einem Text vereinen, ist ein aufmerksames Lektorat des übersetzten Texts ist daher unabdingbar.
Literarische Übersetzung ist, nicht nur im Theaterbereich, immer auch als künstlerische Tätigkeit zu verstehen, die sich zwar aller technischen Möglichkeiten bedienen kann und sollte, aber durch diese -zumindest bis jetzt – in ihrer inhaltlichen Feinfühligkeit und Spontanität nicht ersetzt werden kann. Wir sollten also wie Prof. Katharina Zweig in ihrem Buch Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl beschreibt, auf keinen Fall gegen die Künstliche Intelligenz leben, sondern sie beherrschen und uns zu Diensten machen. Der Mensch bestimmt, wie die KI verwendet wird und nur dann kann sie fruchtbar verwendet werden.
Einblendung
In der zweiten Phase einer Übertitelung wird die vorbereitete Übersetzung mit einer speziellen Software live während der Inszenierung eingeblendet. Diese Arbeit erfordert Erfahrung und viel Konzentration, da eine Stückübertitelung pro Stunde bis zu 1000 Übertitel haben kann, die sekundengenau eingeblendet werden müssen.
Die Software für Übertitelung hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt und es gibt einige Firmen, die sich speziell auf die Live-Anwendung und die speziellen Bedürfnisse von Theaterübertitelung spezialisiert haben. Teilweise handelt es sich um Freeware, andere Programme sind mit einmaligen Anschaffungskosten verbunden oder es wird pro Inszenierung abgerechnet.
Da Schauspieler:innen im Theater meist live sprechen und Sprechtempo, Pausen, teilweise auch Sätze von Vorstellung zu Vorstellung variieren, ist das genaue Beobachten des Bühnengeschehens und eine schnelle Reaktion auf spontane Veränderungen für eine gelungene Übertitelung unbedingt notwendig. Auf Improvisationen kann reagiert werden, indem beispielsweise unterschiedliche Varianten vorbereitet werden, die dann wahlweise eingeblendet werden. Mit einigen Programmen könnte man auch live eintippen, aber für wirkliches Schriftdolmetschen bedarf es einer bestimmten Software und einer ausgebildeten Schriftdolmetscherin, die direkt von einer Sprache in die andere tippt. Das ist eine Form des Dolmetschens, die im Fernsehen bei Nachrichten meist deutsch-deutsch angewendet wird, aber für Literatur aufgrund der Textsorte keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefern kann. Hier muss sehr genau abgewogen werden, ob der Kosten-Nutzen Faktor im Verhältnis steht. Eine automatisierte Übertitelung ist nur möglich, wenn man Spracherkennungssoftware zum Einsatz bringen würde.
Da es aber beim Einblenden der Übertitel sehr stark auf den Rhythmus ankommt und individuell abgestimmt wird, wann ein Titel eingeblendet wird, um z.B. eine Pointe zu erhalten etc., sollte dies ebenso wie die Ton- und Licht-Cues von einem Menschen gefahren werden, der die Inszenierung, die Schauspieler:innen in ihrer Art zu spielen sehr gut kennt. Zudem wird eine Übertitelung nach jeder Aufführung von den Übertitler:innen ergänzt und verbessert, zum Teil auch in Absprache mit der Dramaturgie.
Für das Fahren der Übertitel gibt es unterschiedliche Philosophien. Häufig werden Übertitel absolut synchron eingeblendet, andere verfolgen den Ansatz, der Schauspieler sollte erst den Mund öffnen, damit man sieht, welcher Sprecher gerade spricht. Es gibt hier unterschiedliche „Handschriften“. Zudem kann man sich auch mit der Regie absprechen und auf spezielle Wünsche eingehen. Manche Regisseur:innen haben sehr genaue Vorstellungen von Größe, Farbe und Darstellung der Übertitel. Hier bietet sich ein Gespräch im Vorfeld an, über die Ästhetik und das Einblenden kurz zu verständigen und Möglichkeiten aber auch Grenzen transparent zu machen.
Eine gute Übertitelung bewegt sich im Rhythmus des Stücks, wird teilweise der Musik angepasst, geht sensibel mit blacks um und es gibt immer kleine Anpassungen und Ausnahmen in der Art Titel einzublenden, um zum Beispiel durch eine Übertitelung das Black nicht versehentlich auszuleuchten. Ebenso kann es sein, dass bei Witzen Übertitel zu Gunsten der Pointen verzögert eingeblendet werden müssen. Manchmal spielen Schauspieler:innen, die viel Erfahrung mit Übertitelungen haben, mit den Übertiteln und darauf muss eine:r Übertitler:in dann in irgendeiner Form reagieren. Wichtig ist vor allem, dass so lange stehen, bis sie vom Publikum gelesen werden konnten. Hektisches Wechseln der Übertitel kann schnell von der Bühnenhandlung ablenken. Oberstes Gebot ist, das Publikum soll so viel wie möglich auf die Bühne schauen und nicht überflüssigerweise auf die Übertitel schauen, weder für Wiederholungen, noch zweimal auf zu lange stehende Übertitel oder kurz aufflimmernde Titel, die fälschlicherweise eingeblendet wurden u.ä.m.
Das Einblenden der Übertitel ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, die gewährleisten muss, dass die Titel ruhig und unaufdringlich projiziert werden. Je häufiger man eine Übertitelung fährt, desto besser kann man sich auf den Rhythmus und das Spiel der Schauspieler:innen einstellen.
Daher arbeiten viele Gruppen und Theater mit vertrauten Übertitler:innen, die mit der Inszenierung vertraut sind – sei es vor Ort oder auf Gastspielreise. In der freien Szene werden auch häufig Personen aus dem künstlerischen Team, angelernt und betreuen dann die Übertitelung für das Stück sowohl in In- als auch Ausland. Expertise in der Softwarehandhabe, eine gute Vorbereitung und berufliche Erfahrung sind aber auch hier unabdingbar, denn die sorgfältigste Übersetzung und Übertitelmatrix nützt nichts, wenn sie von Laien „durchgedrückt“ wird und der Rhythmus der Inszenierung stört durch fehlerhaftes Einblenden.
Es gibt zudem eine starke Wechselwirkung zwischen Publikum und Bühne. Sind die Zuschauer:innen überfordert von den Übertiteln, abgelenkt, nicht in der Lage sie zu lesen, reagieren sie verärgert und irritiert, was wiederum den Schauspieler:innen gespiegelt wird. Das einfachste Beispiel dafür ist, wenn eine Pointe vorweg in den Übertiteln erscheint, das Publikum schon lacht und die Schauspieler:innen mitten in ihrem Satz gestoppt werden.
Die Schauspieler:innen sind dann u.U. so irritiert und gestört von den Reaktionen des Publikums, dass sich das negativ auf ihr Spiel auswirken kann. Wichtig ist außerdem, sich der Verantwortung bewusst zu sein und dass auch beim Einblenden äußerste Sorgfalt und Professionalität gefordert ist.