Zurück

Leichte Sprache

In leichter Sprache

von Anne Leichtfuß

Welche Optionen gibt es, einer größeren Personengruppe Zugang zu Inszenierungen und Performances zu ermöglichen?

Was ist Leichte Sprache?

Leichte Sprache richtet sich an eine große Zielgruppe. Etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland brauchen eine vereinfachte Form der deutschen Sprache, um sich Inhalte gut erschließen zu können. Trotzdem gibt es bisher nur sehr wenig Angebote in Leichter Sprache innerhalb des Theaterbereichs.

Leichte Sprache vereinfacht nicht den Inhalt eines Textes oder gesprochener Sprache, sondern verändert nur die Form, um eine Zugänglichkeit für eine größere Personengruppe zu ermöglichen. So sind die Sätze kurz, etwa fünf bis acht Wörter pro Satz. Jeder Satz enthält nur eine Information. Fremdwörter oder Fachbegriffe werden durch leichtere Begriffe ersetzt oder erklärt und Beispiele herangezogen, um komplexere Inhalte leichter verständlich zu machen. Leichte Sprache folgt einem festen Regelwerk, das in Deutschland seit 2009 existiert und vom Verein Mensch zuerst (früher People first) entwickelt wurde. Zur Zielgruppe gehören unter anderem Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten, mit Demenz, mit geringen Lesefähigkeiten, mit Lern- und Leseschwierigkeiten und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen.
Wichtig ist: Leichte Sprache funktioniert immer nur im Dialog mit der Zielgruppe. Jede Übersetzung wird von mindestens zwei Personen aus der Zielgruppe auf Verständlichkeit geprüft. Wurden alle Begriffe verständlich erklärt? Kann die Person nach dem Lesen des Textes die Inhalte in eigenen Worten zusammenfassen? Wenn nicht, wird der Text entsprechend der Korrekturen der Prüfer:innen geändert. Erst dann erhält ein Text das Siegel Leichte Sprache.

Welche Möglichkeiten bietet Leichte Sprache am Theater? An deutschsprachigen Theatern wurden hier in den letzten Jahren verschiedene Formate erprobt, um den Zugang für Zielgruppen zu öffnen, die sich aufgrund der Verständnis- oder anderer Barrieren nicht angesprochen fühlten.

Übersetzungen von Programm und Infos zur Erreichbarkeit

Die Sprache, in der über Theater gesprochen wird, ist oft eine sehr akademische, die vielen Menschen, nicht nur aus der Zielgruppe der Leichten Sprache, den Zugang verwehrt. Viele Begrifflichkeiten werden als bekannt vorausgesetzt und man muss Vorwissen haben, um entsprechende Texte verstehen zu können. Diese Hürde wird gesenkt, wenn Programmtexte in Leichte Sprache übertragen werden. Neben der Übersetzung des Inhalts ist außerdem wichtig, den Zugang zum Theater ganz konkret zu erleichtern. Das heißt, Leichte Sprache muss in sämtlichen Bereichen des Theaters auftauchen: Wie und wo kann ich ein Ticket kaufen? Kann ich als Mensch mit einem Behindertenausweis eine Begleitperson mitnehmen? Was kosten die Tickets? Und: Gibt es ermäßigte Eintrittspreise für Menschen mit Behinderung? Alles das führt dazu, dass viele Menschen selbständig Zugang haben und entscheiden können: Interessiert mich das Stück und traue ich mir zu, mir diesen Raum zu erschließen?

Simultan-Verdolmetschung von Theaterstücken

Neben der Übertragung von Programmtexten und Serviceinformationen in Leichte Sprache gibt es die Möglichkeit, Stücke simultan in Leichte Sprache zu dolmetschen. Das passiert bisher nur selten und eher in der freien Szene als in großen Häusern. Funktechnik dafür kann bei Firmen für Konferenztechnik geliehen werden. Dabei ist wichtig: Die Übersetzung in Leichte Sprache muss in Absprache mit den Macher:innen des Stückes entwickelt werden, sodass nicht nur mehr Verständlichkeit das Ergebnis ist, sondern  Charakter und Form des Stückes auch in der zugänglicheren Form erhalten bleiben. So kann eine neue und eigenständige Version entwickelt werden.
Die Zuschauer:innen können sich beim Einlass entscheiden, ob sie Kopfhörer und Empfänger für Leichte Sprache mitnehmen möchten oder nicht. So kann auch für Menschen, die nicht aus der Zielgruppe der Leichten Sprache kommen, ein Mehrwert geschaffen werden, da sie zwischen beiden Versionen switchen können und so auch, unabhängig von einem eigenen Bedarf, erste Berührungspunkte von Leichter Sprache im Bereich der Kunst und Kultur entstehen.

Leichte Sprache auf der Bühne

Aber nicht nur eine Verdolmetschung ist eine Möglichkeit, Leichte Sprache auf die Bühne zu bringen, Stücke können auch direkt in Leichter Sprache inszeniert werden. Einige Klassiker existieren schon in einer Übersetzung in Leichte oder Einfache Sprache, aber einzelne Ensembles entwickeln auch eigene Inszenierungen in Leichter Sprache. Auch gibt es Stücke, in denen Formen der Barrierefreiheit spielerisch in die Inszenierung eingebunden werden. So kann etwa die Erzählspur zwischen gesprochener Sprache, Gebärde, Übertiteln und Leichter Sprache wechseln und  alle Zuschauer:innen teilen somit die Erfahrung des Verstehens und Nichtverstehens.

Early Access und Einführungsgespräche in Leichter Sprache

Eine andere Möglichkeit, Stücke in der ursprünglichen Sprachform zugänglicher zu gestalten, bietet eine veränderte Einlasssituation. Ein early access mit Unterstützung bei der Orientierung im Theater ist für viele Menschen angenehm, nicht nur für die Zielgruppe der Leichten Sprache. Das kann verbunden werden mit einer Einführung des Stückes (und der Inszenierung?) in Leichter Sprache. Worum geht es? Wie gehören die Personen auf der Bühne zueinander? In welchem Setting und in welcher Zeit spielt das Stück? Das alles kann in einem Einführungsvortrag erläutert werden und kann helfen, das Geschehen auf der Bühne besser einordnen zu können.
Theater beinhaltet die Option, dass verschiedene Zuschauer:innen verschiedene Perspektiven auf das Bühnengeschehen haben. Personen aus der Zielgruppe der Leichten Sprache erleben in ihrem Alltag aber häufig Situationen, die sie nicht oder nur in Teilen verstehen. Daher ist ihnen oft wichtig, Sachen richtig zu verstehen und zu interpretieren. Dass individuelle Sichtweisen möglich und sogar erwünscht sind, sollte daher aktiv ausgesprochen werden. So fühlen Personen aus der Zielgruppe sich sicherer damit, eigene Zugänge zuzulassen und das Stück individuell zu erleben und zu interpretieren.

Leichte Sprache in Ausschreibungen und in den Probenprozessen

Verschiedene inklusive Ensembles haben sich mit der Frage beschäftigt: Wie muss Theater sich verändern, damit Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten nicht nur als Schauspieler:innen auf der Bühne, sondern auch selbst als Regisseur:innen agieren? Auch hier ist die Leichte Sprache eine wichtige Möglichkeit, um neue Zugänge zu schaffen. Ausschreibungen in Leichter Sprache bieten die Möglichkeit, dass mehr Menschen sich angesprochen fühlen und sich zutrauen, Teil eines Projektes zu sein. Und auch bei der Entwicklung eines Stückes und in den Probenprozessen stellt Leichte Sprache sicher, dass alle teilhaben und eigene Ideen einbringen können. Das Theater Hora in Zürich hat in einem dreijährigen, von Wissenschaftler:innen begleiteten und ausgewerteten Prozess mit Leichter Sprache in Ausschreibungen, Zugangsinformationen und innerhalb der Proben gearbeitet und allen Mitarbeitenden die Möglichkeit eröffnet, eigene Erfahrungen im Inszenieren eigener Inhalte zu sammeln. So wird nicht nur in der Rezeption von Theater, sondern auch in den Perspektiven auf der Bühne Diversität sicht-und erlebbar.

Neue Verteiler und Multiplikator:innen aktiv ansprechen

Wenn ein Theater Angebote in Leichter Sprache schafft, dann muss die Zielgruppe auch davon erfahren. Dafür ist es wichtig, auch neue Verteiler und Multiplikator:innen anzusprechen und über neue Angebote zu informieren. Das kann über regionale Vereine und Gruppen passieren, aber auch über Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung im Sozialraum des Theaters oder über Leichte-Sprache-Netzwerke und -Verteiler.

Was kann durch diese und andere Maßnahmen erreicht werden?

Die Zahl der Theaterbesucher:innen ist rückläufig. Darum müssen sich Theatermacher:innen fragen: Wer kommt bisher nicht ins Theater? Und warum nicht? Wie kann ich neue Zielgruppen fürs Theater gewinnen? Etwa Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten, Menschen mit anderem Bildungshintergrund oder Menschen mit geringen Deutschkenntnissen. Leichte Sprache kann dazu eine gute Möglichkeit sein. 

Anne Leichtfuß ist Dolmetscherin für leichte Sprache. Sie ist Mitgründerin und Webmasterin des partizipativen Forschungs-Projektes TOUCHDOWN 21 und arbeitet als Dozentin an der TH Köln für den Weiterbildungsgang Prozessplaner*in Inklusion.

Suche